AvD Fahrbericht: VW Golf 8 TSI Style 1,5
Alles, was Sie über den Golf 8 TSI Style 1,5 l wissen müssen, haben wir hier für Sie in diesem Fahrbericht zusammengefasst.
Der Golf ist nicht nur die erfolgreichste Baureihe der Marke Volkswagen und wohl das meistverkaufte Automodell auf dem Globus. Er ist Namensgeber eines ganzen Fahrzeugsegments und kam Anfang 2020 in der achten Generation in den Handel. Kann Nummer acht den Erfolg seiner Vorgänger fortsetzen? Wir sind den neuen VW Golf gefahren.
Auftritt
Spektakulär war das Äußere des VW Golf noch nie. Auch die achte Auflage ist mehr Evolution denn Revolution. Das ist auch gut so. Denn der konservative Auftritt gilt als einer der Erfolgsfaktoren der Baureihe. Scheinwerfer und Rückleuchten sind jetzt etwas schmaler ausgelegt, die untere Hälfte der Heckklappe kommt leicht nach hinten geneigt rüber. Schön, dass VW nicht dem Trend zum Wachstum erlegen ist: Der Golf 8 ist mit 4.284 mm kaum länger als der Golf 7 (4.255 mm), mit 1.789 mm etwas schmaler (-10 mm) und mit 1.491 mm ein Stückchen (+40 mm) höher. Der Radstand fällt jetzt minimal kürzer aus (-18 mm) und beträgt 2.619 mm. Und auch, wenn der Golf 8 damit etwas kompakter ausfällt als der Klassendurchschnitt, steht er dennoch satt und solide auf der Straße. Na gut, er hat ja auch etwas an Gewicht zugelegt: 50 kg sind es gegenüber dem Vorgänger mehr (1.255 kg gegenüber 1.205 kg). Da stimmt die auf 475 Kilos geschrumpfte Zuladung bedenklich, denn bei Besetzung mit vier Erwachsenen bleiben nur rund 125 kg für Sonderausstattungen und Gepäck.
Vom Verzicht auf gestalterischen Firlefanz profitiert in jedem Fall die ausgesprochen gute Übersichtlichkeit. Dank großer Fensterflächen rundum sind Rangiermanöver kein Problem und macht die im Testwagen vorhandene Rückfahr-Kamera (€ 325,-) eher zu einem Komfortfeature als zu einer Notwendigkeit.
Antrieb
Der Wolfsburger Bestseller startet Anfang 2020 zunächst mit vier Motoren in sechs Leistungsstufen. Als Benziner sind ein Ein-Liter-Dreizylinder mit 66 kW (90 PS) und 81 kW (110 PS) sowie ein 1,5-Liter-Vierzylinder mit 96 kW (130 PS) oder 110 kW (150 PS) verfügbar, im Diesel arbeitet eine Zwei-Liter-Vierzylinder der 85 kW (115 PS) bzw. 110 kW (150 PS) leistet. Dieser Tage startet zudem der Golf 1.4 eHybrid der eine Systemleistung von 150 kW (204 PS) bietet. Darüber hinaus steht auch der Marktstart des sportlichen GTI unmittelbar bevor, der aus einem Zwei-Liter-Vierzylinder Benziner stramme 180 kW (245 PS) quetscht. Das Diesel-Pendant GTD folgt im Anschluss, ebenso die elektrische GTE.
Unabhängig von der Antriebswahl verfügt der Golf stets über Frontantrieb und ein manuelles Sechsgang-Schaltgetriebe. Das verfügt über eine gute Abstufung und erfreut durch eine ebenso leichtgängige wie präzise Führung des Schalthebels. Wer die Gangwechsel dennoch lieber automatisch hat, bekommt gegen Zuzahlung von € 2.725,- ein Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe - allerdings nur in Verbindung mit den beiden 150-PS-Triebwerken. Im Plug-in-Modell ist der Doppelkuppler Standard. Der Allradantrieb ist vorerst hingegen nicht verfügbar, dürfte aber nachgeschoben werden.
Technischen Daten des VW Golf 8 TSI Style
Fahren
Zum Sammeln von Fahreindrücken schickte VW den Golf mit dem 150-PS-Benziner zum AvD. Der Vierzylinder fiel vor allem durch seine Unauffälligkeit auf, die das Resultat aus leisem Arbeitsgeräusch und kultiviertem, vibrationsarmen Lauf ist. Allein beim Beschleunigen macht sich der Motor bemerkbar, weil er die Gaspedal-Befehle erst leicht verzögert umsetzt. Zudem fällt bei dieser Übung auch auf, dass der 150-PS-Benziner erheblich weniger Drehmoment zu bieten hat (-110 Nm), als der gleichstarke Diesel. Dennoch: Für öffentliche Straßen ist sicherlich ausreichend Kraft vorhanden und wer es darauf anlegt, zählt auch auf der Autobahn zu den ganz Schnellen.
Ein Kompliment gebührt den VW-Ingenieuren in jedem Fall für die akustische Feinarbeit am Golf 8. Denn neben dem bereits gelobten leisen Motorlauf, können sich die Insassen auch über eine gute Dämmung gegen Abroll- und Windgeräusche freuen. Abgesehen von winkligen Landsträßchen fühlt sich der Golf damit zumeist langsamer an, als er wirklich ist. Gut, dass das erschwingliche Head-up-Display das Tempo im Blickfeld des Fahrers anzeigt.
Auch die im Testwagen enthaltene „Adaptive Fahrwerksregelung DCC“ (€ 1.045,-) unterstützt diesen Eindruck, denn sie passt die Dämpfung automatisch der aktuellen Fahrsituation an. Das funktioniert gut, weil unauffällig – solange der Wagenlenker nicht auf die Idee kommt die Sporteinstellung zu wählen. Diese lässt sich zwar, ebenso wie „Comfort“ und „Normal“, nochmals in 15 Stufen feinabstimmen, ist aber grundsätzlich zu hart geraten und wird durch den 40er Querschnitt der optionalen 18-Zoll-Bereifung noch betont. Der fahrdynamische Nutzen dieser Unnachgiebigkeit mag auf einer Rennstrecke erlebbar sein, um diesen im öffentlichen Verkehrsraum zu erfahren, liegt das Geschwindigkeitsniveau im Bereich der Fahrlässigkeit. So zeigt sich einmal mehr, dass „Normal“ den besten Alltagsnutzen bietet: verbindlich komfortabel und zugleich straff genug, um auch bei sportlicher Fahrt eine satte Straßenlage zu vermitteln.
Auch die Vorteile der optionalen Progressivlenkung treten nicht offensiv in den Vordergrund, sondern schmeicheln sich eher unterschwellig ein. Die sich an die Fahrsituation anpassende Lenkübersetzung und – unterstützung zahlt auf die Handlichkeit ebenso ein wie auf die Fahrdynamik. In der Stadt leicht bedienbar und sensibel reagierend, um die Lenkarbeit zu reduzieren, arbeitet diese bei schneller Fahrt angenehm straff und präzise, was den Eindruck einer guten Straßenlage unterstützt. Allein das etwas synthetische Lenkgefühl und die Rückmeldung an den Fahrer bieten Anlass für Kritik. Ja, auf hohem Niveau.
Behaglichkeit
Die Abmessungen des Golf haben sich mit der Neuauflage nur marginal verändert. Ein paar Millimeter mehr hier, ein paar weniger dort. Zu spüren ist das alles für die Passagiere nicht. Das Raumangebot ist unverändert richtig gut. Speziell in der ersten Reihe fühlten sich die AvD Tester sehr gut untergebracht und lobten ein geradezu luftiges Raumgefühl. Hier stellt sich bald die Einsicht ein, dass es nicht mehr Auto braucht. Auch die Sitzposition gibt keinen Anlass zu Kritik. Allein die Sitze bieten Raum für Verbesserung. Und das, obwohl unser Testwagen mit den optionalen, elektrisch einstellbaren Ergoactive-Sitzen (ab € 610,-, Serie in der Ausstattung „Style“) ausgestattet war. Dessen Rücklehnen fühlen sich zu schwach gepolstert an und unterstützen den Rücken nur bei voll aktivierter Lordosen-Stütze auch auf längeren Strecken zufriedenstellend. In der zweiten Reihe fühlen sich Mitfahrer etwas kuscheliger untergebracht. Doch auch hier herrscht Platzmangel und selbst 1,85-Meter-Staturen bietet der Golf ausreichend Luft über dem Kopf.
Okay, der Kofferraum hat mit 381 Litern Fassungsvermögen allenfalls Klassendurchschnitt. Dafür ist er aber gut nutzbar. Ein höhenverstellbarer Ladeboden macht das Be- und Entladen komfortabler. Die Rücksitzlehnen lassen Verhältnis 1/3 zu 2/3 umklappen, zudem versteckt die klappbare Mittelarmlehne die Möglichkeit einer Durchreiche für lange Gegenstände, wie z. B. Ski, ohne dass dafür ein Sitzplatz geopfert werden müsste. Wer mehr Laderaum benötigt, muss auf die Kombiversion „Variant“ warten, die VW nachreichen wird.
Auch die Ergonomie passt, alle wesentlichen Bedienelemente liegen gut zur Hand. Die Bedienung des gesamten Infotainment-Systems erfolgt über den großen, gleich neben dem gut ablesbaren, digitalen Kombiinstrument positionierten Touchscreen (25,4 cm in der Diagonale). Doch auch wenn die Grafik eingängig und leicht erkennbar ist, hapert es bei der Bedienung. Es scheint, als habe man bei VW versucht, unbedingt einen eigenen Weg zu gehen und neue Standards zu setzen, sich dabei aber in eine Menüstruktur verstiegen, die ohne Blick ins Bordbuch nur schwer nachvollziehbar und erst mit gehöriger Eingewöhnung intuitiv bedienbar ist. So kam es, dass wir eine geschlagene halbe Stunde vergeblich versuchten das von einem Kollegen deaktivierte Head-up-Display wiederzubeleben. Und obwohl wir als Tester im Umgang mit den unterschiedlichsten Marken und Modellen recht routiniert sind, waren wir erst nach einem Blick in die (nur online verfügbare) Bedienungsanleitung erfolgreich.
Portemonnaie
Ein Schnäppchen war der Golf noch nie und ist es auch jetzt nicht. Die nackige Basisversion mit 90-PS-Dreizylinder startet mit € 19.880,85 ganz knapp unterhalb der 20.000-Euro-Marke. Die Spanne reicht bis € 35.750,42 für den 150-PS-Diesel mit DSG. Die Ausstattungsmöglichkeiten des Golf 8 sind vielfältig, angesichts des Premiumanspruchs aber nicht üppig. Grundsätzlich gibt es die bislang ausschließlich als Fünftürer erhältliche Kompaktlimousine in den Ausstattungslinien „Golf“, „Life“, „Style“ und „R-Line“ – wobei die Basis-Variante dem Ein-Liter-Benziner und den 115-PS-Diesel vorbehalten ist. Dieser sowie die 110-PS-Version ist auch als „Golf Life“ verfügbar – Aufpreis beim Benziner € 2.325,-, beim Diesel € 2.475,-. Im Gegenzug ersetzt VW die 15-Zoll-Stahlräder gegen 16-Zoll-Räder auf Leichtmetallfelgen, verbaut Lendenwirbelstützen und Höhenverstellung an den Vordersitzen, asymmetrisch geteilt umklappbare Rückenlehnen an der Rückbank, ein Multifunktions-Lederlenkrad, je zwei USB-C-Schnittstellen oder eine Telefonschnittstelle mit induktiver Ladefunktion.
In Kombination mit allen anderen Antriebsoptionen berechnet VW den Schritt von „Life“ zu „Style“ mit € 2.275,- und zur sportlichen „R-Line“ mit weiteren € 1.460,- Euro. Der von uns gefahrene Golf war als „Style“ konfiguriert, was ihm unter anderem LED-Plus-Scheinwerfer, Ambientelicht, Sport-Komfortsitz mit elektrischer Sitzverstellung, Abstandstempomat, Spurhalteassistent und Klimaautomatik bescherte. Als Sonderausstattung waren neben Metallic-Lack (€ 760,-) unter anderem an Bord Head-up-Display (€ 700,-), großes Navigationssystem „Discover Pro“ mit Streaming und Internet (€ 1.050,-), IQ-LED-Scheinwerfer mit automatischer Fernlichtregulierung (€ 1.125,-) sowie ein Soundsystem von Harman Kardon (€ 230,-). Bleibt zu konstatieren, dass für den Golf zwar alle Features verfügbar sind, die man von einem modernen Auto erwarten darf, doch sind diese mitunter nur im Paket oder als Element anderer Positionen erhältlich, was die Wahlfreiheit für den Käufer einschränkt und das Wunschauto unnötig verteuert.
Wirklich günstig ist unser VW Golf 1.5 TSI auch im Hinblick auf die Versicherungseinstufungen (Typklassen) nicht. Mit Typklasse 16 in der Haftpflicht und jeweils 22 in Voll- und Teilkasko, markiert er im Vergleich der identisch motorisierten Konzerngeschwister die Spitze. Ein Skoda Octavia 1.5 TSI (15/19/19) und ein Seat Leon 1.5 TSI (13/21/22) sind teils deutlich günstiger eingestuft. Und selbst ein Audi A3 35 TFSI (16/21/21) verzeichnet in den Kaskoklassen leichte Vorteile. Auch im direkten Wettbewerbsumfeld wird der Golf von Ford Focus (16/20/18) und Opel Astra (14/20/20) unterboten. Allein beim BMW 118i (17/23/22) wird die Versicherung noch etwas teurer.
Und der sonstige Unterhalt? Der Kraftstoff-Verbrauch belief sich während unserer Testfahrten laut Bordcomputer auf 7,5 Liter. Dieser Wert ist sicher auch mancher Autobahnfahrt mit anhaltend hohem Tempo während des Corona-Lockdown geschuldet. Durchschnittswerte um 6,5 Liter sollten realistisch sein. Bei Ersatzteilpreisen und Werkstattverrechnungssätzen liegt VW im Bereich des erschwinglichen. Ja, es gibt auch günstigere Marken – aber eben auch teurere. Zumal man bei VW bei der Konstruktion viel Wert auf Servicefreundlichkeit legt. Das reduziert die anfallenden Arbeitszeiten bei Inspektionen und Reparaturen und macht sich somit auf der Rechnung bemerkbar. Und in Sachen Wertverlust macht dem Golf in dieser Klasse ohnehin keiner etwas vor. Das war beim Vorgänger Golf 7 so, und das wird sicherlich auch bei der neuen Modellgeneration so bleiben.
Fazit
Die gute Nachricht: Der Golf bleibt der Golf. Wie ehedem zeichnen die unaufgeregte Erscheinung, das kompetente Fahrwerk, der harmonische Antrieb, das gepflegte Ambiente und der praktische Nutzwert ein stimmiges Gesamtbild. Keine Frage: Der Golf bleibt an der Spitze seiner Klasse, ist dort aber nicht mehr unumstritten. Mit dem neuen, geradezu modernistischen Bedienkonzept hat Wolfsburg dem Golf jedenfalls keinen Gefallen getan – zu wenig intuitiv die Steuerung, zu verschachtelt das Menü, zu versteckt eine Reihe von Funktionen.
So wirkt der Golf 8 ein bisschen wie der tragische Held eines klassischen Dramas, der es gut meint, aber in der Umsetzung scheitert. Mit vielen Detailverbesserungen bemüht sich auch der Golf 8 noch besser zu fahren als sein Vorgänger. Doch diese Feinarbeit vollzieht sich auf so hohem Niveau, dass sie für uns Normalos kaum erlebbar ist. Deshalb kann der Neue den hohen Erwartungen an einen neuen Golf letztlich nicht zufriedenstellend gerecht werden. Dass die achte Auflage des Wolfsburger Verkaufsschlagers an Perfektion eingebüßt hat, dürfte die Wettbewerber indes freuen.
(M. D)
Veröffentlicht am 25.04.2022 in Rund ums Auto.
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